Willy Brandt im Jahr 1980. Rechte: Bundesarchiv, B 145 Bild-F057884-0009 / Engelbert Reineke / CC-BY-SA
Willy Brandt im Jahr 1980. Rechte: Bundesarchiv, B 145 Bild-F057884-0009 / Engelbert Reineke / CC-BY-SA

Heute vor 100 Jahren wurde Herbert Ernst Karl Frahm in Lübeck geboren. Ab 1933 führte der damals 19-jährige im Osloer Exil agierende Widerstandskämpfer den Tarnnamen »Willy Brandt«, den er für den Rest seines Lebens behielt. Im Andenken an den späteren Bundeskanzler und Friedensnobelpreisträger soll hier an seine Sicht auf die Deutschen und das NS-Regime erinnert werden, die er 1946 als Bericht über »Verbrecher und andere Deutsche« veröffentlichte.

Brandt war im November 1945 als Korrespondent der norwegischen Zeitung »Arbeiderbladet« nach Deutschland zurückgekehrt, um über den Prozess des Internationalen Militärgerichtshofs gegen die Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg zu berichten. Darüber hinaus sammelte er Eindrücke von den Verhältnissen in Deutschland nach dem Krieg. Trotz der entsetzlichen Verbrechen des NS-Regimes, die – soweit bereits bekannt – während des Prozesses durch Beweise und Zeugenaussagen eindringlich vermittelt wurden, war Brandt kein Anhänger einer Kollektivschuldthese. So ist auch der von ihm gewählte Titel zu verstehen. Neben den Verbrechern gab es auch noch andere Deutsche. Brandt akzentuierte den wichtigen Unterschied zwischen ›Schuld‹ und ›Verantwortung‹ und sprach nur die Verantwortung den Deutschen im Allgemeinen zu. Außerdem betonte er das internationale Interesse, aus den Gräueltaten zu lernen.

Für eine bessere Zukunft ging es Brandt darum, in Zukunft allen Tendenzen entgegenzuwirken, die in Richtung einer geistigen Unterwerfung weisen könnten. Und er formulierte einen klaren und weitsichtigen neuen Fahrplan: »Es kommt darauf an, der europäischen Jugend, die in Deutschland heranwächst, ein neues Ideal zu geben, für das sie arbeiten kann. Deutsche Europäer und Weltbürger haben früher wenig Glück gehabt. Das ist kein Grund ihre Arbeit nicht wiederaufzunehmen. Der Freiheitsfaden in der deutschen Geschichte muss weitergesponnen werden. Deutsche Nazigegner gingen nicht in erster Linie für eine nationale Sache in den Tod, sondern für das, was sie als internationale menschliche Ziele auffassten. […] Jetzt kommt es darauf an, Deutschland zu europäisieren. […] Es kann nur auf der Grundlage von Freiheit und Demokratie gelöst werden.« [S. 346f.]

Die deutsche Übersetzung des ursprünglich auf Norwegisch verfassten Berichts ist beim Verlag J.H.W. Dietz Nachf. erschienen und im Buchhandel erhältlich.

Neben der gut geschriebenen und mit Belegen angereicherten Wikipedia-Seite zu Brandt, informiert die Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung auf ihrer Webseite über Brandts Biografie, wichtige Reden und Zitate. Eine kürzere Chronologie der wichtigsten Etappen seines Lebens kann auf der Seite des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eingesehen werden. Weiterführende Links und Informationen zu Archivalien bietet das Portal zur Geschichte der Sozialdemokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

 

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