Gedenkstätten sind im allgemeinen Sprachgebrauch mit Mahnmalen verknüpft. Gedenkstätten in einem weiter gefassten Sinn sind aber alle Orte, die einen starken Bezug zu historischen Ereignissen, Lebensweisen oder Personen aufweisen und es ermöglichen, sich der Vergangenheit physisch und in Gedanken anzunähern. Ein herausragendes Beispiel eines solchen Gedenkortes ist die Völklinger Hütte im Südwesten des Saarlands. Sie ist ein eindrucksvolles Denkmal für die Blütezeit der Hoch-Industrialisierung und die Arbeitsbedingungen in einem Stahlwerk während der letzten beiden Jahrhunderte. Von 1873 bis 1986 wurde hier im Hochofenprozess Roheisen zur Stahlerzeugung gewonnen. Mit etwa 17.000 Mitarbeitern im Jahr 1965 erreichten die Stahlwerke ihren personellen Höchststand.
Durch umfangreiche Sanierungs- und Instandsetzungsarbeiten ist es den Besucherinnen und Besuchern heute möglich, weite Teile des Industriekomplexes zu begehen. Bis in eine Höhe von 45 Metern kann man über mehrere Treppen aufsteigen und sich von oben einen Rundumblick über die ehemalige Industrielandschaft verschaffen. 1994 wurde die Völklinger Hütte von der UNESCO in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. Der Besuch vermittelt einen einzigartigen Eindruck von der schweren Arbeit und dem komplexen Aufbau großer Industriebauwerke.
Neben der Geschichte der Völklinger Stahlindustrie locken hochkarätige kulturelle Angebote die Gäste. Wechselnde Ausstellungen junger und etablierter Künstler sorgen für internationales Publikum. Erfrischend und inspirierend wirkt dabei die Installation der Kunstwerke. Das besondere Licht, der Geruch nach Eisen und die raue Industrie-Umgebung sorgen für ein einzigartiges museales Charisma.
Wenig thematisiert wird dagegen bisher der Arbeitseinsatz von etwa 14.000 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern, die während des Zweiten Weltkriegs unter widrigsten Bedingungen für die Röchling’sche Eisen- und Stahlwerke GmbH eingesetzt waren. Hermann Röchling wurde 1949 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu zehn Jahren Haft verurteilt, konnte aber bereits 1951 unter Auflagen die Haft wieder verlassen. Hier wären ein Überblick zur bisherigen Forschung und eine umfassendere und dauerhafte Integration des Themas in das Ausstellungskonzept wünschenswert. Diesbezügliche Recherchen wurden seitens der Völklinger Hütte bereits in Auftrag gegeben. Das Stadtarchiv Völklingen zeigte Anfang des Jahres eine Wanderausstellung zur Geschichte der polnischen Zwangsarbeit während des Zweiten Weltkriegs, welche auch die Zwangsarbeit in der Völklinger Hütte thematisiert.










Links:
Weltkulturerbe Völklinger Hütte
Wikipedia-Eintrag zur Völklinger Hütte
Fabian Lemmes: Ehemaliges Arbeitserziehungslager der Röchling’schen Eisen- und Stahlwerke
Alle Bildrechte dieses Beitrags liegen bei Wenzel Seibold. Ich danke dem Weltkulturerbe Völklinger Hütte für die freundliche Unterstützung!