Umfrage Warum Geschichte Titel_www.HistoLog.deZunächst ist festzuhalten, dass die von mir gestartete Umfrage sowohl qualitativ als auch quantitativ keinerlei Anspruch auf repräsentative Ergebnisse erlaubt. Dafür war der Kreis aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer (denen ich recht herzlich danken möchte) bei Weitem zu klein und deren Daten (Alter, Bildungsabschluss etc.) wurden nicht ermittelt. Dennoch ergibt das Resultat ein für mich interessantes Bild. Während ich bei einigen Fragen mit entsprechenden Antworten rechnete, wurde ich bei anderen sehr überrascht.

Meine vorerst wichtigste Erkenntnis ist: Onlineumfragen zu Geschichte haben anscheinend ein hohes Abschreckungspotenzial. Von 387 Personen, welche die Umfrageseite innerhalb der letzten zwei Monate aufgerufen haben, beteiligten sich lediglich 28 an der eigentlichen Umfrage – nicht mehr als in einer Schulklasse Schüler sitzen. Ein erstes Ergebnis, mit dem ich so nicht gerechnet hätte. Ich beteilige mich gerne an Umfragen, wenn Sie nicht reinen Werbezwecken dienen und Erkenntnisgewinn versprechen. Ich sehe das als willkommene Möglichkeit, inhaltlich Stellung zu beziehen und bin stets gespannt auf den Abgleich meiner Meinung mit jener meiner Mitmenschen.

Aber nun zu den Ergebnissen unserer virtuellen Schulklasse (Um die Ergebnisse zu vergrößern, genügt ein Klick aufs Bild):

Wozu Geschichte Ergebnisse1_www.HistoLog.deDass die Mehrheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen Sinn in Geschichte sieht, ob nun von Interesse geleitet oder nicht, freut mich. Das hätte ich nicht erwartet.

Wozu Geschichte Ergebnisse2_www.HistoLog.deEbenfalls positiv fällt bei Frage 2 auf, dass die Mehrheit ein Lernen aus der Geschichte nicht ausschließt – auch wenn 18% eher skeptisch sind und es auf die Geschichte ankommen lassen möchten.

Wozu Geschichte Ergebnisse3_www.HistoLog.deBemerkenswert bei den Ergebnissen der dritten Frage finde ich, dass 29% eine starke Verbindung zwischen Geschichte und sich selbst sehen. Hier hätte ich zwar ebenfalls so geantwortet, aber ein anderes Ergebnis erwartet. Die Fehler früherer Generationen hielt ich für bedeutungsschwerer in der Auseinandersetzung mit Geschichte.

Wozu Geschichte Ergebnisse4_www.HistoLog.deErfreulich ist die weitgehend übereinstimmende Meinung, dass Historiker vorwiegend eine gesellschaftliche Aufgabe erfüllen. Hier hätte ich ebenso geantwortet.

Wozu Geschichte Ergebnisse5_www.HistoLog.deBei Frage 5 hätte ich der Antwort »Er müsste beinahe alles wissen, was früher geschah« den Spitzenplatz zugetraut. Es ist schön zu sehen, dass sich moderne Geschichte und Geschichtsschreibung gegenüber diesem veralteten Paukerdenken durchsetzen konnten. Das Verständnis komplexer Strukturen und Zusammenhänge und die praktischen Fertigkeiten (Erzählen und Recherchieren) halten sich hier fast die Waage.

Wozu Geschichte Ergebnisse6_www.HistoLog.deGeschichte wird überwiegend als identitätsbildend wahrgenommen, auch wenn unsere Identität nur teilweise dadurch bestimmt zu sein scheint. Deshalb steht wohl die verhaltene Zustimmung an oberster Position.

Wozu Geschichte Ergebnisse7_www.HistoLog.deIdeen und Erfindungen bestimmen noch vor Kriegen und politischen Entscheidungen unsere Sichtweise auf Geschichte – so sehen es zumindest die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Während in der Fachwelt die Alltagsgeschichte zumindest in der Methodik seit den 1980er Jahren immer mehr berücksichtigt wurde, besetzt sie hier einen bescheidenen Platz. Meine Wahrnehmung ist eine andere. Im Fernsehen und in Zeitschriften werden historische Kriege und Politik weit mehr behandelt, als Ideen und Erfindungen. Da diese Medien unsere Sicht auf Geschichte heute maßgeblich prägen, hätte ich das Treppchen anders aufgestellt.

Wozu Geschichte Ergebnisse8_www.HistoLog.deGanze 64% sehen einige Unterschiede zwischen aktueller Presse und geschichtswissenschaftlichen Themen. Immerhin 20% stellen große Ähnlichkeiten zwischen beidem fest.

Wozu Geschichte Ergebnisse9_www.HistoLog.deFrage 9 ließ sich nicht so schnell beantworten. Bei ihr verweilten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Durchschnitt am längsten. Während eine entschiedene Mehrheit von 81% bei einer Vorstellung die Gegenwart preiszugeben meint, erzählen 19% woher sie kommen, was sie gearbeitet haben und was ihnen bisher geschmeckt hat. In meinen Augen ist dies die einzig nachvollziehbare Antwort. Unsere Persönlichkeit, die wir vorstellen, beruht zunächst auf unseren Erfahrungen in der Vergangenheit – niemand käme wohl auf die Idee beim Nudelessen zu sagen: »Ich esse Nudeln und die schmecken mir« oder beim Kennenlernen eines neuen Geschäftspartners zu sagen: »Hallo, ich führe gerade ein Geschäftsgespräch«. Man würde sagen: »Nudeln mag ich sehr gerne« und »ich bin in der Firma XY als Key-Account-Managerin beschäftigt«. Beide Vorstellungsarten gründen auf der Vergangenheit, auch wenn sie gegenwärtig weiterhin für uns von Bedeutung sind. Interessant ist auch, dass unsere zukünftigen Ziele, Wünsche und Vorstellungen – zumindest beim ersten Kennenlernen – keine große Rolle zu spielen scheinen.

Wozu Geschichte Ergebnisse10_www.HistoLog.deFortschrittsglaube und etwas Pessimismus bestimmen die Antworten zur letzten Frage. Aus Sicht eines europäischen Menschen würde ich Geschichte als ein immer mehr zum Besten hin schreitendes Phänomen beschreiben. Aus Sicht der Weltbevölkerung, aus Sicht der Tiere oder unserer sonstigen Umwelt würde ich auch zwischen Pessimismus und neutralem Fortschritt schwanken.

Wie wertet Ihr die Ergebnisse? Über Kommentare und Meinungen freue ich mich!

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