Der »Plagiatssturm« in Kürze

Vorgestern veröffentlichte Arne Janning bei Facebook einen recht langen Kommentar, in dem er mitteilte, die Hilfe seiner Follower zu brauchen: »Liebe Follower, sagt mir, was ich tun soll«*. Anschließend berichtete er von einem Zufallsfund. Im Buch »Große Seeschlachten: Wendepunkte der Weltgeschichte von Salamis bis Skagerrak« habe er viele wörtliche Übernahmen gefunden, die aus Wikipedia stammten und nicht gekennzeichnet seien. Der Post machte in Facebook und per Twitter schnell die Runde, auch weil klar war, dass der Vorwurf recht brisant ist. Zum einen richtete er sich gegen zwei in der Fach- und Medienwelt etablierte Historiker und zum anderen war das Buch 2013 in einem namhaften Verlagshaus erschienen. Es dauerte nicht lange, bis weitere Meldungen über neue Plagiatsfunde im selben Buch und in anderen Büchern der Autoren verbreitet wurden. Der Verlag teilte umgehend mit, dass die Vorwürfe genau überprüft werden. Die ersten Blogs berichteten über die Vorwürfe (u.a. Erbloggtes; Adresscomptoir; Spreeblick und helojed.). Noch am Nachmittag des nächsten Tages erschienen die ersten Meldungen der Onlinemedien zu den Vorwürfen (Mitteldeutsche Zeitung, ders. in: Kölner Stadt-Anzeiger und Berliner Zeitung; SPIEGEL Online).

Neben dem Plagiatsvorwurf richtete sich die Online-Diskussion, an der sich einige jüngere Historikerinnen und Historiker beteiligten, auch auf den Umgang der Wissenschaft mit Wikipedia. Der Tenor lautet hierbei: Es sollte sich endlich durchsetzen, dass Wikipedia in der Wissenschaft anerkannt und in Zitaten gebraucht wird, sofern man eben entsprechende Belege angibt.

Was beruhigt

Sollte sich der Verdacht eines umfangreichen Plagiats bewahrheiten, haben alle der etablierten Überprüfungseinrichtungen vom Lektorat bis zur Fachrezension in diesem Fall versagt. Beruhigend wäre dann, dass die Täuschung trotzdem aufgedeckt wurde.

Was beunruhigt

Beunruhigend finde ich von Anfang an den Ton, in welchem die Vorwürfe öffentlich gemacht wurden. Namen von Bekannten der Autoren wurden ebenso genannt, wie jene der vermuteten Lektoren beim Verlag. Zudem wurden belegbare Vorwürfe mit nicht belegbaren Mutmaßungen vermischt. Die Aufmerksamkeit, die der Verdacht erwecken würde, müsste eigentlich vorher klar gewesen sein. Das gewählte Medium der Veröffentlichung, der Facebookkommentar, eignet sich bestens dazu, Aufmerksamkeit zu generieren. Leider ist es auch ein perfektes Mittel der Selbstdarstellung und der Bloßstellung anderer. Diese Tendenz wurde durch viele weitere Kommentare anderer Nutzer, durch Tweets und Retweets verstärkt. Die glänzende Seite der Web 2.0-Medaille hat auch eine Rückseite: den öffentlichen Pranger.

Ich würde mir wünschen, dass die Diskussion – unabhängig von der Prüfung der Vorwürfe – auch darüber geführt wird, wie Wissenschaftler, speziell Historiker, in Zukunft mit solchen Verdachtsfällen umgehen.

Sie sollten nicht als Ankläger, sondern eben als Wissenschaftler handeln. Wissenschaftler sollten sich zunächst möglichst objektiv der Sache annehmen und die Vorwürfe überprüfen. Die zu überprüfende Literatur sollte sowohl von ihren Stärken her, als auch in ihren Schwächen betrachtet werden. Die Veröffentlichung der Vorwürfe sollte der letzte Schritt sein, wenn die Vorwürfe erstens gänzlich belegbar und zweitens andere Kontaktaufnahmen gescheitert sind.

* [Edit 11.5.2014] Da der oben ursprünglich verlinkte Facebookkommentar mittlerweile entfernt werden musste, hier ein paar Links zum weiteren Verlauf der Diskussionen:

hellojed.: #seeschlachtplag zu und alle Fragen…

Erbloggtes: #RaderGate: Verantwortlichkeiten und Synopsen.

Martin Bauch: Breitseiten und Rohrkrepierer – zum Verhältnis von Feuilleton, Plagiat und historischem Sachbuch.

Neue Zürcher Zeitung / Joachim Güntner: Seeschlacht mit unzulässigen Beibooten.

Frankfurter Allgemeine Zeitung / Patrick Bahners: Glänzend geschrieben, wenn auch nicht immer von unserem Autor.

  1. Lieber Herr Seibold,

    danke für Ihren Beitrag. Ich stimme ihnen in allen Punkten zu: das ist der Weg, den die Diskussion nehmen sollte. Zu Ihrer Kritik am „Ton“: auch die teile ich, es handelt sich jedoch urspünglich bloß um einen Facebook-Eintrag für meine paar Follower und keinen Merkur-Artikel. Ich kann durchaus unterscheiden, was ich wie ich wo schreibe.

    Daß der Beitrag jetzt so eine Wucht bekommen hat, habe ich weder intendiert noch vorausgesehen und jetzt kann ich es eben schlecht noch ändern.

    Herzliche Grüße

    Arne Janning

  2. Kleiner Hinweis: Der Facebook-Beitrag ist, wenn ich das Weltkugelsymbol am Kopf des Beitrages richtig deute, von Anfang an öffentlich dargestellt worden und nicht nur für die Facebook-Freunde oder einen anders eingegrenzten Leserkreis.

    • Das kann sein. Allerdings möchte ich Herrn Janning seine Fähigkeit Kritik nicht nur zu üben, sondern auch zu akzeptieren ausdrücklich zugutehalten. Wie oben geschrieben befürworte ich eine Diskussion weg von persönlichen Verfehlungen hin zu der Frage, wie in Zukunft mit Plagiatsverdächtigungen umgegangen werden sollte.

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